Automobile Träume - Im Reich der legendären "Göttin"

Roetgen. Wenn ein Auto aus den 1960er und 70er besonders hervorstach und die Gemüter erhitzte, ja polarisierte, dann war es die Citroen DS.  Die Konstrukteure André Lefèbvre und Designer Flaminio Bertoni entwickelten ein Automobil, das mit einer bis dahin nie gesehenen, revolutionären Form und Spitzentechnologien in Sachen Sicherheit und Komfort die Menschen begeisterte - und das bis heute.

Die Citroën DS wirkte derart anders, dass mancher Betrachter den neuen Citroën mit einem Raumschiff verglich. Bei der Karosserie wurden neue Werkstoffe wie Aluminium oder Kunststoff verwendet, das Design überraschte mit runden Linien und aerodynamischen Formen. Die Karosserieform mit dem Cw-Wert 0,38 und den aerodynamischen Linien ließ den Wagen auch Jahrzehnte später noch zur Avantgarde zählen. Auch der Innenraum stand dem Äußeren der Citroën DS in nichts nach: futuristische Armaturen, dicke Teppiche und Polster, ein ebener Wagenboden und vieles mehr sorgten für großen Komfort für die Insassen.


In Roetgen lebt eine sechsköpfige Familie, die der Göttin nicht nur verfallen ist, sondern in der die drei männlichen Mitglieder ihre Leidenschaft zu ihrem Broterwerb gemacht hat. Eines vorweg: Papa Helmut, Mama Angelika, die Söhne Tobias und Lukas, sowie die Töchter Annika und Alice - sie alle fahren aktuell eine DS, vorzugsweise einen selteneren Break (Kombi) auch im Alltag.

Das Bild, dass Interessierte in der "Schraubervitrine" im Roetgener Gewerbegebiet erwartet, vergisst ein Oldtimerfan nie mehr: Verteilt auf mehrere Hallen, stapelt sich alles, was das Liebhaberherz von in erster Linie französischen Oldtimern begehrt. Mehr geht einfach nicht! Citroëns und Renaults so weit das Auge reicht. Dazwischen auch schon mal ein VW Käfer, ein Opel Rekord, ein Fiat 500, Mercedes 123 und 124, eine ganze Galerie von Vespas und Soleks - und ganz wichtig - Räume und Nischen voller Ersatzteile.



Auf die Frage, ob die Eröffnung des Oldtimergeschäfts die Erfüllung eines langgehegten Traumes war, entgegnet Vater Helmut Todzey kurz und bündig: „Nein!“ Denn die Eröffnung der „Schraubervitrine“ ist vielmehr aus der Not heraus geboren. Helmut Todzey transportierte davor 23 Jahre Holz durch Deutschland und Europa. 2009 waren die Preise dafür aber derart im Keller, so dass er sich 2011 schweren Herzens dazu entschloss, seinen Truck zu verkaufen und den Erlös ins neue Geschäft zu stecken. Ab da fügte sich eines zum anderen und es schien so, als ob 

alles genauso kommen sollte. 2007 erwarb die Familie die Halle in Roetgen, Sohn Tobias der bei Citroën gelernt und seinen Meister gemacht hatte, wollte sich sowieso selbstständig machen, sein Bruder Lukas war im letzten Ausbildungsjahr als KFZ-Mechaniker und Helmut Todzey baute an den Wochenenden schon mal die Werkstatthalle um. „Ich hatte einfach keine Lust mehr, an neuen Autos zu schrauben.

Dann eben alte", erinnert sich Tobias Todzey. Beide Söhne waren also von Anfang an enthusiastisch mit dabei, „aber", so Vater Helmut, „Voraussetzung für mich war, dass beide Söhne ihren Meister gemacht haben sollten." „Heute gibt es in der Schraubervitrine nur Chefs", so die drei Männer.


Mit der ersten DS des Vaters vor 34 Jahren, auf den er jahrelang gespart hatte, fing alles an! „Die DS ist für mich das komfortabelste Auto, das ich kenne.“ Und seine Söhne schwelgen in Kindheitserinnerungen, in denen sie immer schon mit ihrem Vater zu DS-Treffen fuhren. „DS fahren ist für mich einfach nur normal“, so Lukas Todzey. „Ich hatte einfach keine Lust mehr auf Computer in Autos. Am Anfang dachten wir, wir könnten alles machen, also alle Oldtimer anbieten. Aber dann wurde uns schnell klar, dass wir alles zu blauäugig sahen, zu wenig kommerziell 

dachten und uns spezialisieren mussten, wenn wir Geld verdienen wollten. Wir mussten uns auf die richtigen Oldtimer und vor allem auf Ersatzteile konzentrieren. Ein Netzwerk aufbauen", berichten die Todzeys. Doch das ist alles Vergangenheit. Heute ist die Familie längst spezialisiert und hat ein eigenes Lager aufgebaut. „Die Ersatzteilsituation für die DS ist heutzutage durchaus ok. Bei Renault sieht es da schon wesentlich schwieriger aus."

In der „Schraubervitrine“ werden alle Arbeiten selbst gemacht. Außer Lackier- und Polsterarbeiten. Zu den bevorzugt be- und gehandelten Oldtimern gehören gut gebrauchte, sowie voll-restaurierte Automobile aus dem Hause Citroën die Modelle DS, Ami und Ente. Dazu kommen von Renault der R4, R 16 und von Mercedes der 123 und 124. Die Kundschaft für ihre 20-30 Oldtimer, die jährlich die Werkstatt in Roetgen verlassen, rekrutiert sich in erster Linie über das Internetportal Auto-Scout. Seltener schauen die Kunden direkt in Roetgen vorbei. 


Aber, man weiß ja nie. Wer sich bei einem Besuch in der "Schraubervitrine" doch Schock-verlieben sollte, der muss bis zur Fertigstellung und bis zum Erwerb mehrere Monate Geduld aufbringen. Für blauäugige Oldtimer-Träumer noch ein Fakt zum Schluss: die Preise für beispielsweise eine Ente haben sich alleine in den letzten Jahren verdoppelt und liegen inzwischen im fünfstelligen Bereich. Doch einen kleinen Trost gibt es für Oldtimerfans mit schmalerem Portemonnaie dennoch. Für überschaubares Geld kann man einen Käfer Cabrio oder eine Ente mieten. Das ist doch auch schon mal was!


Text u. Fotos: (bvl)