Nideggen erinnert an die Opfer der Reichspogromnacht am 09. November

Nideggen. Zahlreiche Nideggerinnen und Nideggener und auch Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Kreuzau/Nideggen waren der Einladung von Bürgermeister Schmunkamp gefolgt und am Vormittag des 09. November 2023 am Rathaus in Nideggen zusammengekommen, um gemeinsam zu gedenken.

In eindringlichen Worten mahnte Bürgermeister Marco Schmunkamp, dem aktuell in unserer Gesellschaft wieder aufkeimenden und offen zu Tage tretenden Antisemitismus keine Chance zu geben und diesem aktiv entgegen zu treten. Das Erinnern und wachsam sein darf sich nicht nur auf diesen einen Gedenktag reduzieren, sondern eine offene und tolerante Weltanschauung muss täglich und auch im Kleinen gelebt und verteidigt werden.

Bürgermeister Schmunkamp beendete seinen Vortrag mit dem Zitat des Holocaust-Überlebenden Primo Levi: „Es ist geschehen, folglich kann es wieder geschehen“ und dem Appell, „aufmerksam zu sein und gemeinsam eine friedliche Zukunft zu gestalten“, denn „es liegt nicht in unserer Verantwortung was einmal war, aber es liegt in unserer, dass es nie mehr so kommen wird!“.

Im Anschluss daran berichtete er beeindruckend vom jüdischen Leben, welches vor dem Pogrom 1938 auch in unseren Reihen gelebt wurde. Jüdische Bürger gab es im heutigen Stadtgebiet Nideggen seit mehr als sechs Jahrhunderten. Friedlich lebten sie als angesehene Bürger in unseren Reihen. Sie waren fester Bestandteil der Gemeinschaft ihres Wohnortes und hatten ihr Leben ganz der katholischen Mehrheit angepasst. Sie verstanden sich als Deutsche und waren tragender Teil der Gesellschaft.

Die jüdischen Bürger waren sehr wohltätig. Pauline Kamp aus Wollersheim machte jedem Neugeborenen in ihrem Ort ein Geschenk. Bei ihrem Mann Alexander konnten sich die Wollersheimer an jedem Schlachttag eine kostenfreie Wurstsuppe holen.

Der Glaube an ihre Integrität wurde vielen jüdischen Bürgern im weiteren Verlauf der Geschichte zum Verhängnis. Während die Jüngeren schon früh die braune Gefahr heraufziehen sahen und rechtzeitig, wenn auch unter großen Gefahren und oft mittellos, Deutschland verlassen konnten, blieben die Alten. Selbst in den späten Dreißiger Jahren, als die bürgerlichen Rechte der jüdischen Bevölkerung mehr und mehr eingeschränkt wurden, systematische Diskriminierungen an der Tagesordnung waren, verharrten die Alten in Gelassenheit. Bis zu ihrem Ende konnten daher viele aus der älteren Generation nicht begreifen, warum sich Staat und Gesellschaft nun gegen sie wendeten. Sie lasen die Zeichen, verstanden jedoch das Unvorstellbare nicht.Die meisten irrten sich tragisch. Einzige Heimkehrer waren die Brüder Benno und Wilhelm Schwarz aus Embken, die beide Buchenwald überlebt hatten.

Heute leben im Nideggener Stadtgebiet keine Juden mehr. Es gibt jedoch zahlreiche Erinnerungen an sie, nicht zuletzt in Form der 34 Stolpersteine, die in den Orten Schmidt, Nideggen, Berg, Embken und Wollersheim an ihren letzten freigewählten Wohnorten erinnern.

Zum Abschluss der Veranstaltung wurde eine Kerze entzündet und eine Gedenkminute abgehalten.